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Matthias Stotz

Matthias Stotz
besuchte Schulart: 
Uhrmachermeisterschule
Abschlußjahr: 
1996
heutiger Beruf: 
Geschäftsführer

Matthias Stotz ist eigentlich Uhrmacher. Sogar ein Tourbillon hat er selbst entwickelt und gebaut. Doch unser „Mann des Jahres“ kann auch anders. Gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter hat er einen Käufer für die bekannteste deutsche Uhrenmarke Junghans gefunden.

Blickpunkt Juwelier: Die Firma Junghans ging Anfang des Jahres wieder in Privatbesitz über. Wie kam es letztendlich zum „Ja“ der neuen Besitzerfamilie Steim?

Matthias Stotz: Dr. Hans-Jochem Steim und sein Sohn Hannes hatten sich ganz intensiv mit uns beschäftigt, hatten auch selbst Berater hinzugezogen. Als gründliche deutsche Unternehmer wurde die aktuelle Situation von Junghans
genau unter die Lupe genommen. Da sie in Schramberg zu Hause sind, waren wir keine Marke, die man erst kennenlernen musste, sondern man hat alles direkt am Ort miterlebt.
Im Herbst letzten Jahres war die Zeit gekommen, um ein mögliches Engagement basierend auf einer Mischung aus unternehmerischer Perspektive, aber auch aus sozialer Verantwortung gegenüber der Stadt und der Arbeitsplätze in
Erwägung zu ziehen.
Da dieser Schritt kein leichter war, musste natürlich der Kaufpreis stimmen, und es mussten notwendige Investitionen für eine nachhaltige Zukunft definiert werden.

Wie kam es letztendlich zum Moment der Entscheidung?

Wir haben im Team sehr intensiv zusammengearbeitet, um eine gute Entscheidungsgrundlage auf dem Tisch zu haben. Der Insolvenzverwalter Dr. Bernsau und Dr. Steim hatten sich darüber hinaus auch häufiger zurückgezogen, um eine optimale Lösung zu erziehlen, denn die Interessen einer Fortführung mit Erhaltung möglichst vieler Arbeitsplätze mit den notwendigen finanziellen Mitteln abzufinden ist auch nicht gerade einfach. Wann der Entschluss unserer Eigentümer genau gefallen ist, kann ich Ihnen heute auch nicht mehr sagen. Für mich persönlich war der Punkt nach vielen intensiven Gesprächen an einem Tag erreicht, an dem auch mir nichts mehr eingefallen ist. So habe ich bei einer Verhandlung dann feststellen müssen, dass zwischen beiden noch immer ein Platz frei ist. Daraufhin habe ich gesagt: „Sie sitzen immer noch einen Stuhl auseinander. Wir
müssen zusammenrücken, mehr kann ich nicht mehr dazu beitragen.“

Ist der Uhrmacher Matthias Stotz somit zum Verhandler geworden?

Ich habe nur vermittelt. In der Situation des eröffneten Insolvenzverfahrens sind der Verwalter und der potentielle Käufer die Verhandlungspartner. Ich saß damals dazwischen, heute bin ich wieder dran.
Sie können davon ausgehen, dass ich persönlich zu jeder Zeit alles Verhandlungsgeschick eingesetzt habe, um für Junghans zu kämpfen.
Über diesen Preis freue ich mich natürlich sehr, über den Fortbestand von Junghans aber noch mehr. Ich nehme diesen aber stellvertretend für alle im Team an, denn dies ist definitiv kein Verdienst eines Einzelnen.

Die neuen Eigentümer haben bisher sehr viel investiert. Wird die Zukunft vor allem in der Mechanik liegen?

In der Mechanik liegt die größte Vergangenheit, aber auch die größte Zukunft. Mechanik allein ist jedoch nicht unser Ziel. Der Fachhandel kann schon bei unserer derzeit laufenden Werbekampagne sehen, dass wir alle Uhrengattungen
bewerben, unter anderem Einstiegsprodukte mit einem Funkwerk.
Aber man tut Junghans insgesamt auch keinen Gefallen, wenn man die Marke auf die letzten 15 Jahre reduziert und als reinen Funkuhrenhersteller betrachtet. Denn Junghans hat in der Vergangenheit alle Techniken beherrscht, also Mechanik, Quarzuhren und den Funkuhrenbau. Wobei wir zukünftig sicherlich wieder mehr Mechanikkompetenz aufbauen werden.

Der Funkbereich war früher fast schon ein Alleinstellungsmerkmal von Junghans. Sollte man das nicht verstärkt nutzen?

Allein von dem Alleinstellungsmerkmal Funk können wir heute nicht mehr leben. Die Zeiten haben sich geändert. Der Charme der präzisen Uhr oder der möglichen Pünktlichkeit, einen Termin auf eine Sekunde genau einhalten zu können, ist heute nicht mehr unbedingt das
Argument, eine Funkuhr zu kaufen.

Vielleicht sucht der Juwelier mit einer Funkuhr von Junghans ein Alleinstellungsmerkmal? Schließlich ist die Konkurrenz beispielsweise aus Japan schwächer geworden.

Sie können mit einer Technologie leider nur eine Zeitlang einen Vorsprung halten. Junghans hat diese Vorsprünge immer genutzt. Die erste funkgesteuerte Quarzarmbanduhr ist die „Junghans Mega1“, von der man innerhalb von einem
Jahr eine Million Uhren verkauft hat. Also wenn Technologie und Design zusammenkommen, dann muss fast schon Junghans draufstehen – diese Kombination kann man schon eher als Alleinstellungsmerkmal sehen.
Die Marke Junghans war 1903 größter Uhrenhersteller
der Welt, drittgrößter Chronometerhersteller in den 1960er Jahren und als Olympiazeitmesser 1972 außergewöhnlich bekannt geworden. Nur weiß das heute kaum jemand.

Wie kann die Strahlkraft des Namens Junghans ohne einen großen Uhrenkonzern im Rücken zurückgeholt werden?

In Deutschland haben wir den Vorteil, dass wir durch die Historie einen sehr hohen Bekanntheitsgrad haben. Wir sind die bekannteste deutsche Uhrenmarke. Noch vor den Luxusmarken aus Glashütte. Dies ist ein großer Glücksfall,
den man werbemäßig nicht erkaufen kann.

Wie lief das Krisenjahr 2009 für Junghans?

Unsere Erwartungen wurden übererfüllt. Wir haben sehr gute neue Handelspartner bekommen und konnten unsere Umsätze sogar steigern. Trotz Krise sind wir mit unserem ersten Jahr zufrieden.

Text/Foto: "blickpunkt Juwelier"
Ausgabe 08/2009