Titel Stanze

Eine Uhr, mit der man Tetris spielen kann – und sogar auf die Sekunde die Zeit ermitteln

Schulleiter Thomas Ettwein führt Werner Rottler, Präsident der Handwerkskammer in Rottweil durch die Ausstellung
Systemelektroniker Marius Lieb lässt auf seiner „Wortuhr“ das Signet der Feintechnikschule leuchten.
Michael Miksic (rechts) führt durch die „Lernfabrik“ zu Industrie 4.0. Die Besucher beobachten eine laufende Zerspanung bei der Herstellung eines Flaschenöffners.

Schulleiter Thomas Ettwein führt Werner Rottler, Präsident der Handwerkskammer in Rottweil, durch die Ausstellung. Fachlehrer Herrmann Fleig (links) und Abteilungsleiter Dirk Mergenthaler lassen sich ebenfalls vom Absolventen Adrian Jetter sein prämiertes Gesellenstück erläutern.

 

Tag der Ausstellung der Abschlussarbeiten an der Staatlichen Feintechnikschule mit Technischem Gymnasium in Schwenningen

 

Wer am Sonntag um Neun in die Feintechnikschule kam, erlebte zwei Stunden vor Beginn des traditionellen „Tages der Ausstellung der Abschlussarbeiten“ am letzten Sonntag vor den Sommerferien schon ein reges Treiben um das Schulgebäude herum und drinnen: Tische und Bänke wurden draußen aufgebaut, Flaschen, Geschirr usw. bereitgestellt, Herren im Jackett eilten in einen Klassenraum, um die dem eigentlichen Ereignis vorgelagerte Mitgliederversammlung der VEFS e.V., der Vereinigung Ehemaliger FeintechnikSchüler, vorzubereiten und von beneidenswert jungen, stolz strahlenden Menschen wurden Gesellenstücke in die Aula getragen – solche mit vielen Kabeln und Lämpchen von Systemelektronikern, solche aus glänzendem Metall von Feinwerkmechanikern und leise tickende, meist kleine Gebilde von Uhrmachern.
Apropos VEFS: Das ist nur einer, allerdings der mitgliederstärkste von drei (!) Fördervereinen der merkwürdigen Schule, deren Seltsamkeit der Kundige schon am Wörtchen „Staatlich“ im Namen ablesen kann – der Träger von beruflichen Schulen ist üblicherweise nicht der (Bundes-)Staat, sondern der Landkreis.


Als es dann „so richtig“ losging mit der offiziellen Eröffnung durch den Schulleiter Thomas Ettwein, erfuhr man, dass unter den Anwesenden zwei Ehrengäste waren, nämlich Werner Rottler, Präsident der Handwerkskammer in Rottweil, und Dr. Annemarie Conradt-Mach, Thomas Ettweins „Vorgängerin im Amte“. Zu den weiteren Gästen zählten Kreisräte und erstaunlich viele ehemalige Lehrerinnen und Lehrer; zurück zum Ort ihrer beruflichen Taten treibt sie offensichtlich die hohe Identifikation mit dieser Institution und das Interesse an den jüngsten Innovationen. Von diesen nannte Thomas Ettwein ein paar. Solche, die in den über 100 Abschlussarbeiten stecken, etwa in dem VR-Handschuh (VR steht für „virtuelle Realität“) von Alin Munteanu oder in dem „Stabwerk mit sichtbarer Gangeinheit“ von Elvira Lauer. Und solche, die die Ausbildung an den technischen Fortschritt anpassen: Die Lernfabrik Industrie 4.0 etwa, in die viele Lehrerinnen und Lehrer, auch ehemalige, schon viel Zeit und Herzblut investiert haben, wird demnächst vom Wirtschaftsministerium und vom Schwarzwald-Baar-Kreis mit beachtlichen 80 000 Euro gefördert. Neben dem Aufsetzen von Anträgen, dem Vorbereiten eines Kurses an zwei Abenden im Oktober mit dem Titel „Aspekte von Industrie 4.0 an unserer Lernfabrik“, dem Einführen einer neuen Prüfungsform bei den Technikern in „Betrieblicher Kommunikation“ (was für merkwürdige Fächer es gibt!) und ein paar anderen Kleinigkeiten wurden in den letzten Wochen die Abschlussprüfungen für 168 Schülerinnen und Schüler organisiert – und durchgeführt… ach ja, bloß normaler Unterricht fand auch statt…


Bevor es die Gelegenheit gab, die Abschlussarbeiten in Augenschein zu nehmen, an einem Rundgang durch die Schule mitzumachen, in der neuen Maschinenhalle das hochmodere „5-Achs-Bearbeitungszentrum“ eines Förderkreismitglieds, der Firma Hermle, zu besichtigen, mit anderen ins Gespräch zu kommen oder einfach erst einmal zu essen und zu trinken, zeigte Thomas Ettwein als Schluss seiner Eröffnung einen von zwei Schülern gedrehten „Imagefilm“ der Schule. Schülerinnen, Schüler und Wolken rasen zur Schule, technische Zeichnungen flackern über Bildschirme, blitzartig huschen zahllose Maschinen über die Leinwand… naja, der Zeitraffer übertreibt den Lerneifer und die Lerngeschwindigkeit vielleicht ein bisschen, oder genauer: das hinter den amüsanten vier Minuten stehende Engagement parodiert sich auf sympathische Weise selbst und wurde zu Recht mit einem heftigen und langen Applaus honoriert. (Wer in Youtube „Flying FTS“ eingibt, kann den Film noch einmal sehen.)
Mindestens zwei Ereignisse müssen noch erwähnt werden: Der traditionelle Roboterwettbewerb und drei Vorträge, in denen Marius Lieb, Gero Wedde und Denis Trompler ihre Abschlussarbeiten vorstellten.


Seit einer Reihe von Jahren erproben die Gymnasiasten im Profil Informationstechnik in ihrem zweiten Jahr ihre zuvor (unter anderem beim Schulleiter) erlernten Programmierkünste, indem sie aus unterschiedlichsten Komponenten ein Gefährt „basteln“, das eine –jährlich wechselnde – Aufgabe bewältigen muss. Da müssen Antriebe, Sensoren, Fang- oder Hebeeinrichtungen und ein selbst geschriebenes Programm so miteinander kombiniert werden, dass die eigene Konstruktion das Verlangte bewerkstelligen kann und das präziser und schneller als die gegnerischen Teams. Dieses Jahr ging es darum, vier etwa zeigefingerbreite Plastik-Würfel in den Farben gelb, blau, grün und rot von der Mittellinie des Spielfeldes abzuholen und zurück auf das jeweils gleichfarbige Quadrat an der Startlinie am eigenen Rand zu befördern. Der Wettkampf veranschaulichte, wie unterschiedlich man vorgehen kann – mit seitlich zugreifenden Zangen oder übergestülpten Stangen – und die launig vom Moderator Thomas Kusch kommentierten Fehlversuche zeigten, wie komplex die Aufgabe ist. Schon die Ausgangslage ist konzeptuell nicht ganz einfach, oder können Sie das umstandslos beantworten: Die farbigen Klötzchen werden in beliebiger Reihenfolge aufgestellt. Wie viele Ausgangssituationen gibt es dann? (Stopp! Nicht sofort weiterlesen, nachdenken!) Na? Für die Besetzung des ersten Platzes gibt es vier Farben zur Auswahl, dann bleiben für den zweiten noch drei übrig… also: Vier mal Drei mal Zwei mal Eins, macht giznawzdnureiv Möglichkeiten. Wie die jeweils erforderliche Route auswählen? Wie kann das Gefährt auf Störungen reagieren? Entsprechend stolz nahm das Siegerteam seine Urkunden in Empfang.
Bei den Vorträgen brachten die Zuhörerinnen und Zuhörer den Klassenraum geradezu zum Überquellen – nun, die Hyperbel kommt der Realität recht nah, denn es mussten noch Stühle aus einem Nebenraum herbeigeschafft werden. Gero Wedde entführte einen in seinem Vortrag nicht nur in die Welt edler Uhren, die kunstvoll so umgebaut werden, dass man hinter dem rückseitigen Glas ganz viel von dem an verschiedenen Stellen hin und her pendelnden Innenleben erkennen kann, sondern er hätte auch den Preis des bestangezogenen Mannes errungen in seinem dunkelblauen Anzug mit schmucker bordeauxroter Krawatte ‬– es machte ihm allerdings auch nur eine Lehrkraft halbwegs ernsthaft Konkurrenz, die anderen hatten nach der Mitgliederversammlung sich ihrer Jacketts entledigt und waren eh unbeschlipst.


Marius Liebs „Wortuhr“ besteht aus 256 Zeichen, die alle einzeln angesteuert aufleuchten können. So kann Sinn transportiert werden, indem man die jeweils leuchtenden Buchstaben und Zahlen als Text liest oder indem man das Leuchtende als Muster wahrnimmt. Die verrinnenden Sekunden werden etwa dargestellt als nacheinander aufleuchtende Zahlen oder als Zeiger aus zehn Lichtpunkten, der seine Runden dreht. Nach dem Planen, Löten, Verdrahten und Bohren, nach dem Zusammenschrauben und -stecken war die Steuereinheit offen für fast beliebig komplexe Programmierungen: Diverse Geräuscherzeugungen, Spiele wie Tetris und der Name des Objekts, sein Herstellungsjahr und sein Schöpfer. Und natürlich durfte eins nicht fehlen: Das Kürzel der Schule, ein bildfüllendes „fts“!


Text: Caroline Dirichs
Bild: Johann Weniger

 

 

Juli 2023