Berufliche Gymnasien stellen sich im Landratsamt vor
Das Licht im Saal wird dunkler und dunkler, vier Bühnenscheinwerfer schicken sich auffächernde Strahlenbündel von der Decke herab, angeregtes Geplapper, hie und da Husten, eine Flasche klirrt… seit ein paar Augenblicken hätte die Veranstaltung begonnen haben sollen… man betrachtet den schönen Blumenschmuck, ein halbes Dutzend große Kästen, die über die ganze Breite der Bühne vorne am Rand verteilt sind, vor allem weiße Blumen und einige violette… und dazwischen blaue und weiße Fähnchen…, nein, wir sind nicht bei Schalke, dem diesjährigen Vizemeister, sondern bei einer anderen Institution mit Meistern… die Farben Blau und Weiß sah man schon am Eingang, da lag das „FTS-Magazin“ aus… einer der Haupt-Organisatoren des Abends, Paul-Thomas Weich, huscht vor der schulterhohen Bühne von links nach rechts… warum eigentlich ist der eine Blumenkasten auf der linken Seite, neben dem Rednerpult, nicht mit blau-weißen dreieckigen Fähnchen, sondern mit schmalen Rutenbündeln in Blau und Weiß geschmückt?... „Summertime… and the linvin‘ is easy“ – mit den Worten über die Leichtigkeit des Seins im Sommer reißen einen die Sängerin Benina Berger und der Klavierspieler Jacob Fauser aus dem träumerischen Sinnieren, in Windeseile breitet sich im Publikum aufmerksame Stille aus
Schulleiter Thomas Ettwein stieg nach dem langen Applaus für die beiden Künstler zum Rednerpult hinauf und begrüßte die 134 Absolventen, denen 194 Zeugnisse zu übergeben waren, darunter die Abschlusszeugnisse Berufsfachschule, Berufskolleg, staatlich geprüfter Techniker, Fachhochschulreife, Meisterschule. Weitere Begrüßungen waren an die Angehörigen und Lehrer gerichtet – und an die Personen, die mit ihm die Zeugnisse und Auszeichnungen in der folgenden Stunde überreichen würden; herzlich begrüßt wurden also: Sein Stellvertreter Udo-Jürgen Held, seine Abteilungsleiter Dirk Mergenthaler, Marc Fehrenbacher und Paul-Thomas Weich, Annett Meyer (Leiterin IHK Akademie), Thomas Rieger (stellvertretender Vorsitzender des Meisterprüfungsausschusses für das Uhrmacherhandwerk), Birgit Hakenjos-Boyd (erste Vorsitzende der Vereinigung ehemaliger Feintechnikschüler), Christoph Kummer und Monja Burger (Solidpro GmbH, Vöhringen), Dr. Hans-Walter Haller (Förderkreis der Feintechnikschule), Bernd Schaible (Vorstandsmitglied des Gewerbeverbands Oberzentrum [GVO] und Vorstandsmitglied der L. Schaible GmbH & Co KG) und Wolfgang Müller (Leiter des Steinbeis-Transferzentrums).
Fast ein Dutzend Klassen eilten in langen Reihen auf die Bühne, stellten sich über die ganze Bühnenbreite auf und warteten strahlend auf den Moment, in dem ihr Name erklang und sie nach einem Händeschütteln jenes Papier in die Hand gedrückt bekamen, für das sie je nach Fachrichtung ein bis drei Jahre gelauscht, geschrieben, gebüffelt, gefeilt, gelötet, geschraubt, kurz: kontinuierlich gelernt hatten. Einige Klassen hatten kleine Geschenke mitgebracht; dann standen zwischendurch auch einige Lehrerinnen und Lehrer auf der Bühne, mit Blumen in den Händen und Tränen in den Augen. Eine Sache verwunderte einen wohl nur bei der ersten Klasse: Erst die Hälfte oder weniger hielt die Zeugnisse fest umklammert und man war schon bei den Namen mit W… gibt es in der Klasse so viele, deren Namen mit Z beginnt, oder gar mit X oder Y? Des Rätsels Lösung: Nach den „normalen“ Zeugnissen begann das Alphabet von vorn für die Schülerinnen und Schüler mit einem guten Notendurchschnitt und dann noch einmal für die mit einem sehr guten. In der Sprache des Schulwesens: Nach den normalen Zeugnissen kamen die mit Lob und Preis.
Mit den Preisen ging es dann munter weiter: Prämiert mit Urkunden, Medaillen sowie Büchergutscheinen und lobenden Worten wurden die besten Projektarbeiten an der Berufsfachschule, die hervorragendsten Zeichensätze (mit dem Solidpro-Konstruktionspreis), die besten Projektarbeiten des Berufskollegs, die besten Meisterschüler und die kreativsten Techniker-Arbeiten (durch den Techniker-Innovationspreis), wie schon die Jahre zuvor anschaulich erläutert von Wolfgang Müller.
Die Theater-AG bot witzige „Kümmernisspiele“ dar und die mitwirkenden VAB-Schüler demonstrierten nebenbei, wie gut fast die Hälfte ihrer Klasse in kürzester Zeit Deutsch gelernt hat; sechs der Nicht-Muttersprachler hatten nämlich in der Prüfung ein Niveau erreicht, über welches viele Muttersprachler auch nicht hinauskommen…
Ein Interview mit den ehemaligen Absolventen Monja Burger und Johannes Hellstern belegte, wie wichtig später gerade solche Lerninhalte werden können, die man einst überflüssig fand; etwa Kenntnisse in höherer Mathematik und in kommunikativer Psychologie.
Besonders beklatscht wurde neben der Musik der von Schülerinnen und Schülern gestaltete Imagefilm. Unter Anleitung einer Frau vom Fach hatten sie das Drehbuch entwickelt, Storyboards gezeichnet, die Szenen geschnitten, die Stimme des professionell arbeitenden Sprechers eingefügt.
Mit einem Reigen zahlreicher Fotos – zusammengestellt von Iris Bohnert – klang die Veranstaltung visuell beeindruckend aus, akustisch ebenbürtig begleitet von den Musikern mit „What a wonderful World“. Man sah in die Kamera lachende Klassen, Schülergruppen vor Betrieben, mit Booten, Uhrmacherinnen mit Lupen vor den Augen an der Werkbank, Schüler vor den Bildern ihrer Präsentationen wie „Zeit ist Geld“, aufmerksam lauschende Lehrer bei Prüfungen, Lehrer mit Lesebrillen Prüfungsprotokolle ausfüllend und und und.
Und dann erfüllte sich, was anfangs das perlende Klavier und die durch den Raum schwebende Stimme versprochen hatten: Im Sommer kann das Leben so leicht sein, bei Sekt und Orangensaft im Foyer der Tonhalle, plaudernd mit der knusprigen Brezel in der Hand.
Text: Caroline Dirichs
Bilder: Feintechnikschule
20.07.2018