Berufliche Gymnasien stellen sich im Landratsamt vor
Am letzten Sonntag vor den großen Ferien tragen die Absolventen der Feintechnikschule traditionellerweise ihre Gesellenstücke und Technikerarbeiten in die Aula und präsentieren sie allen technisch Interessierten, die einen lehrreichen, vergnüglichen und kulinarisch ansprechenden Sonntag-Mittag verbringen möchten.
Schulleiter Thomas Ettwein begrüßte die Anwesenden, darunter den Dezernenten des Landratsamtes Boris Schmid und seine Vorgängerin Dr. Annemarie Conradt-Mach. Dann umriss er, was seine Institution in den letzten Wochen besonders umtrieb: Ein Drittel der knapp 600 Schüler errang durch zahllose Prüfungen einen Abschluss. Hätte er all die Zeugnisse, Urkunden und Preise für besondere Leistungen, die er auf zwei Verabschiedungsfeiern den erfolgreichen Abiturienten, Berufsfachschülern, Berufskollegschülern und Technikern überreichte, auf einmal tragen wollen, hätte es ihm das Kreuz gebrochen. Da er aber einen Stapel nach dem anderen abgearbeitet hatte, konnte er die Gäste entspannt lächelnd einladen zu einem Gang zum derzeitigen Aushängeschild der Schule, zur innovativen Lernfabrik Industrie 4.0.
Doch vorher galt es noch, die Ausstellung zu eröffnen. Boris Schmid tat dies mit einer Rede, in der er das Stichwort Lernfabrik aufgriff und berichtete, dass der Landkreis enorme Anstrengungen für die Digitalisierung von Schulen unternehme und zu diesem Zweck für die nächsten Jahre jeweils eine halbe Million Euro bewilligt habe. Mit einer Zehntelmillion hat der Landkreis sich bereits an der Lernfabrik beteiligt. Der Dezernent des Landkreises bedankte sich bei allen beteiligten Lehrern, die durch ihr ehrenamtliches Engagement dafür gesorgt haben, dass das viele Geld verwandelt wurde in etwas pädagogisch Sinnvolles und die technische Zukunft Gestaltendes.
Bevor man dann durch die Aula schlenderte und die metallisch funkelnden, tickenden und mit vielen Lämpchen blinkenden Gesellenstücke genauer in Augenschein nahm, feierte die Theater-AG ein kleines „Fest aus Lauten und Worten“. Mit einem kurzen Ständchen lockte sie einige Gäste eine Etage höher in ein Schulzimmer, wo dann unter anderem von Christian Morgenstern das Gedicht „Das Fest des Wüstlings“ erklang und der „böse Caspar ein rauschendes Fest feierte“.
Von den Abschlussarbeiten löste den „Haben-wollen-Impuls“ wohl besonders der Schnee-Wecker von Philipp Groß aus: Ein kleines, schräg gestelltes Metallfeld fängt den Schnee auf, ein Sensor stellt die Außentemperatur fest und andere Sensoren messen, wieviel Wasser entsteht, wenn das Metallfeld geheizt und der Schnee geschmolzen wird. Durch eine Verrechnung der Daten wird ermittelt, ob Schnee gefallen ist – und wenn die Antwort „Ja“ lautet, schrillt der Wecker eine halbe Stunde eher. Aber auch die anderen Arbeiten, darunter ein wohlklingender Hyrbid-Verstärker, eine automatische Garten-Bewässerung und eine sanft glühende Nixie-Uhr, bezauberten die Betrachter.
Im seinem Fachraum stellte Chemielehrer Norman Singer vor, wie er neuerdings durch 3D-Brillen den räumlichen Aufbau von Molekülen geradezu sinnlich erlebbar vermitteln kann. Zwei besondere Molekülarten brachte er anschließend durch eine Kettenreaktion dazu, einen Schaum zu bilden, der aus einem Pappbecher fast bedrohlich lange und voluminös herausquoll.
Die Schüler der TG-Eingangsklasse Informationstechnik programmierten in sechs Gruppen Lego-Roboter in der Profi-Programmiersprache Java. Die Aufgabe war es, den Gegner umzuwerfen oder – noch besser – außer Gefecht zu setzen. Sowohl die Schüler als auch die Zuschauer hatten ihren Spaß, als mehr oder weniger wichtige Einzelteile auf dem Kampfplatz zurückblieben.
Wer den Grad der technischen Schwierigkeit gern noch höher gestellt sah, begab sich am Nachmittag zu zwei Vorträgen der Staatlich geprüften Techniker. Lukasz Felski referierte vor vollem Haus über seine Technikerarbeit auf dem Gebiet der Prüfgerätetechnik und Ralf Flaig über sein Thema „Realisierung einer Werkerführung“. Sehr fachkundige Fragen und Antworten zeugten vom hohen technischen Verständnis der Zuhörer und Referenten.
Etwas wunderliche Sitzgelegenheiten erwarteten den Besucher in einem unteren Gang des Schulgebäudes, man sah Lehnen aus Schnüren wie bei einem Boxring, abstrakte Brandmalerei, Flechtwerk aus Stoffresten, ein Schallplattenmosaik…: Die Klasse TGEG für Gestaltungs- und Medientechnik hatte unter Leitung ihres Lehrers Martin Buschle aus alten Stühlen der Bernhardshütte Bänke hergestellt. Die originellen Kreationen werden demnächst in der Villinger Innenstadt zu bewundern sein und dann zugunsten der Renovierung der Bernhardshütte versteigert.
Darüber mag wohl mancher den Kopf geschüttelt haben, aber wohl niemand über den Beitrag von Renate Nieding-Trefzer und ihren Schülerinnen und Schülern zu diesem Tag: Leckeres zum Trinken und Speisen – und das zu moderaten Preisen!
Text: Caroline Dirichs
Foto: Johann Weniger
25.07.17