Titel Stanze

Gedruckte Triebwerke und Torten

Steve Rommel (links), Senior Manager Generative & Advanced Processes - Global Technology Center von Teva in Ulm, und Prof. Dr.-Ing. Florian Schleidgen (rechts) von der Dualen Hochschule in Horb haben dem Schulleiter Thomas Ettwein Bauteile mitgebracht
Schulleiter Thomas Ettwein begrüßt die zahlreichen Besucher des Vortrags „3D-Druck“ im Rahmen der Veranstaltungsreihe „FTS-connections“

Wer überpünktlich war und den Raum noch still erlebte, vernahm ein leises stoßweises Zischen aus einem Plastik-Kasten, der vorne links neben der Leinwand aufgebaut war. Rosa Schicht um rosa Schicht wurde dort im Laufe des Abends ein etwa meerschweinchengroßer Plastik-Elefant „gedruckt“. Wer bloß pünktlich war und sich nicht an die bekannte Mahnung gehalten hatte „Fünf Minuten vor der Zeit ist die wahre Pünktlichkeit“, der musste sich von einem Stapel einen der feuerroten Stühle nehmen und ganz nach hinten stellen, hinter die gut fünfzehn vollbesetzten Reihen. Oder er folgte der Aufforderung des Schulleiters Thomas Ettwein und nahm einen der wenigen vorne noch frei gebliebenen Plätze ein. Wieder einmal hatte also einer der von Abteilungsleiter Paul Weich organisierten Vorträge die Aula der Feintechnikschule bis an die – feuerpolizeilich vorgeschriebenen – Ränder gefüllt.

In seiner Begrüßung erwähnte Thomas Ettwein die inzwischen recht weite Verbreitung von 3D-Druckern und wies auf den zweiten 3D-Drucker in der Geschichte seiner Institution hin, der tapfer weiter die Ausführungen aller Vortragenden akustisch unterstrich. Außerdem betonte er, welche Milliarden-Umsätze in einigen Jahren durch den dreidimensionalen Druck zu erwarten sind.

Der erste Redner des Abends, Steve Rommel von Teva in Ulm, präsentierte neben einer genaueren Kurve zu dem finanziellen Aspekt der Technologie (nach einem dem anfänglichen Enthusiasmus geschuldeten Gipfel ist man derzeit dabei, das „Tal der Tränen“ zu verlassen und steuert das „Plateau der Produktivität“ an) weitere erstaunliche Fakten: So waren 2015 mehr als die Hälfte aller durch den 3D-Druck hergestellten Teile Endbauteile und keine Prototypen. Ein dutzend Jahre vorher hatte der Anteil an Endbauteilen, zu denen heute Zähne, Hörgeräte und Flugzeugteile gehören, lediglich knapp vier Prozent ausgemacht. Überraschende Materialien werden seit einiger Zeit verwendet: Glas, Keramik, Beton, Erbsenpüree, Schokolade. Patienten, die nur pürierte Kost zu sich nehmen können, sollen in Zukunft beispielweise Erbsenpüree in Erbsenform und Kartoffelbrei in Kartoffelform, frisch aus dem Lebensmitteldrucker, zu sich nehmen können.

Seine großen Möglichkeiten entfaltet das Verfahren beim Herstellen individueller Teile, denn ob das gerade Gedruckte auf einem oft verwendeten Datensatz beruht oder einem individuellen, macht für den 3D-Drucker keinen Unterschied. So wird es wohl recht bald speziell für den Kunden hergestellte Schuhe geben, denn kein Fuß gleicht genau dem eines anderen Menschen, und kein linker Fuß ist ein exaktes Spiegelbild seines rechten Gegenstücks.

Zu den Nachteilen gehört die meist lange Produktionszeit. Wovon man sich durch einen Blick nach links zum rosa Elefanten überzeugen konnte…

Florian Schleidgen, Professor an der Dualen Hochschule in Stuttgart, Außenstelle Horb, beschäftigte sich in seinen Ausführungen mit den Chancen und Risiken, die der Technologie innewohnen und die in einem weiter globalisierten Wettbewerb noch deutlicher werden dürften.

So ist es eine schöne Vorstellung, dass man nicht schwere Metallteile auf eine Reise halb um den Globus schickt, sondern nur Daten. Was aber eine höhere Datensicherheit als heute voraussetzte. Eine weitere freundliche Aussicht ergibt sich, wenn man sich vorstellt, Ersatzteile für Geräte mit jahrzehntelanger Laufzeit müssten nicht entsprechend lange Lagerraum beanspruchen, sondern würden erst im Bedarfsfalle nach einer digitalen Anweisung gedruckt. Die würde kaum Platz beanspruchen.

Besonders intensiv ging der Vortragende auf einen weiteren Vorteil des 3D-Drucks ein: Die neuen Freiheiten in der Konstruktion. Während in Bereichen hoher Komplexität bei traditionellen Verfahren die Produktionskosten explodieren, steigen sie beim 3D-Druck nicht. Und er ermöglicht extravagante Finessen; etwa Kanäle, die sich strömungsoptimiert durch das Material schlängeln, wie sie mit keinem Bohrer zu erreichen sind.

Nach einer Fragerunde dankte der Hausherr den Vortragenden für einen spannenden Doppelvortrag und lud die Anwesenden zu vertiefenden Gesprächen bei Wein, Mineralwasser und Blätterteigteilchen ein. – Und schließlich konnte man auch noch einen rosa Elefanten in seiner ganzen Pracht bewundern.

Text: Caroline Dirichs
Bilder: Johann Weniger


28.10.2016