Berufliche Gymnasien stellen sich im Landratsamt vor
Abteilungsleiter Paul Weich, der das Ereignis organisiert hatte, schaute zufrieden in den Saal. Es mussten noch Stühle dazugestellt werden und die Aula der Feintechnikschule platzte fast aus allen Nähten, als der renommierte Glücksforscher Lothar Wildmann am 20. Oktober nach einer freundlichen Begrüßung durch den Schulleiter Thomas Ettwein mit seinen Darlegungen begann.
Wer vollkommenes irdisches Glück empfindet, soll bei den üblichen Glücksumfragen zehn Punkte angeben. Auf dieser Skala liegt der Durchschnittsbürger bei 7,1 Punkten und immerhin 5% geben sogar 10 an. Wer das Glück hat, eine Frau zu sein, oder das Glück, viele Freundinnen und Freunde zu haben, besser gebildet zu sein, regelmäßig Sport zu treiben, ehrenamtlich tätig zu sein, selbstständig zu arbeiten, konservativ zu wählen, bald zu heiraten, kürzlich oder vor Jahrzehnten geheiratet zu haben (ohne zwischenzeitlichen Ehepartnertausch…), oder wer das Glück hat, dass es ihn freiwillig zur Kirche drängt, hat tendenziell noch ein paar Zehntelpunkte mehr. Natürlich gibt es auch unglückliche Bräute, Ehrenamtliche und Sportler, aber eben statistisch signifikant weniger. Und niedriger Blutdruck lässt paradoxerweise den Wert ebenfalls steigen… Und – ein befriedigtes Aufatmen tönte durch den Raum – auch die Herkunft aus Baden-Württemberg oder Bayern lässt die Chance auf Glück und Zufriedenheit nach oben schnellen, zumindest ein bisschen.
Ein weiterer Faktor: die Arbeit. Oder genau genommen: Wer seine Arbeit verliert und unfreiwillig arbeitslos bleibt, ist mit erschreckender Sicherheit erschreckend erheblich unglücklicher! Der Durchschnittswert stürzt nämlich von den besagten 7,1 Punkten ab auf 4,7. Und hat im Gegensatz zu anderen Schicksalsschlägen die scheußliche Eigenschaft, sich in fast allen Fällen nicht mehr zu erholen…
Weitere mächtige Glückskiller: Dauerlärm, starke Schmerzen, Pendeln, permanenter Druck – inzwischen gibt es übrigens auch „Glücksdruck“ –, Stress mit anderen, Dokumentationswahn und ausgiebiger Fernsehkonsum. Nicken, Nicken, Nicken, bestätigendes Lachen und dann: Ängstliches Getuschel im Raum, besorgte Gesichter und die bange Frage: Sind anderthalb Stunden Fernsehen pro Tag zu viel? Nein, die meisten hatten Glück, erst bei zweieinhalb Stunden beginnt es gefährlich zu werden.
Da das Easterlin-Paradox (benannt nach dem Ökonomen Richard Easterlin und seinen Forschungen seit 1974) besagt, dass Glück nicht vom Einkommen abhängt, außer, wenn man keins hat, und jede Führungskraft weiß, dass zufriedene Mitarbeiter nicht nur angenehmer sind, sondern obendrein auch noch effektiver und kreativer arbeiten, muss man sich ein bisschen mehr als bloß die eine oder andere Gehaltserhöhung einfallen lassen, wenn man gut ausgebildete und talentierte Mitarbeiter einstellen und halten will. So gibt es denn mittlerweile Firmen mit einem lebensphasenorientierten Management, mit individueller Arbeitsplatzgestaltung und solche, in der die Mitarbeiter Zeit und Ort in Absprache mit der Leitung selbst bestimmen. Weitere Einfälle der Glücksforscher werden ungeduldig erwartet.
Zum Schluss des glänzenden, ja geradezu beglückenden Vortrags, lebendig und frei vorgetragen, gab es noch ein paar Tipps: Leb deine Potentiale! Damit du nicht einst mit Friedrich Hebbel seufzest: „Der, der ich bin, grüßt traurig den, der ich sein könnte.“
Und ganz zum Schluss gab’s einen langen lauten Applaus.
Und dann gab’s sogar noch, gestiftet vom Förderkreis der Schule, ‘was zu trinken und gebutterte Brezeln. Wer bei so vielen Gaben nicht glücklich heimging, dem kann auch Novalis nicht helfen, der bündig feststellte: „Glück ist Talent für das Schicksal.“
Text: Caroline Dirichs
Bild: Marc Fehrenbacher