Berufliche Gymnasien stellen sich im Landratsamt vor
„Was ist Kunst?“ Mit dieser Frage konfrontierte Galerieleiter Wendelin Renn seine Zuhörer, eine Gruppe von 19 Gymnasiasten. „Ich weiß es nicht!“, bekannte er ohne Gram – und jeder, der behaupte, es zu wissen, lüge. Aber es gebe Kriterien, die er nennen können müsse, als jemand, der öffentliches Geld für Kunstwerke ausgebe. Kunstwerke kosteten auch dann Geld, wenn man sie geschenkt bekomme: Katalogisierung, Lagerung, Versicherung. Entsprechend oft sage er „Nein“, wenn ihm Geschenke angeboten werden. „Aber der Opa hat doch so schön gemalt!“ Ja, schon, aber nicht jeder der schön male, sei ein Künstler. Ein Künstler formuliere mit künstlerischen Mitteln Aussagen. Diese seien auch immer politisch motiviert.
Kriterien für die Aufnahme in die Sammlung der Städtischen Galerie seien der künstlerische Wert, das Zusammenspiel mit dem Bestand und Bezüge zur Region. So präsentierte er stolz das erste im freien Nachkriegsdeutschland 1948 gedruckte Buch: Ein Band mit Tierkreis-Holzschnitten von Werner Gothein. Der Druckort war übrigens Schwenningen. Von 500 Exemplaren wurde nicht eins verkauft. Verlag und Künstler hatten schlicht kaum Werbung dafür gemacht. Aus diesem Fehler lernten beide bei seinem Hiob-Buch: Gothein erstellte eine Werbemappe, die auch im Buch nicht verwendete Holzschnitte enthält. Diese Mappe ist ein Beispiel für eine Schenkung, die Wendelin Renn sehr willkommen war. Eine bestandsergänzende Rarität.
Lebendig und engagiert erläuterte der Galerieleiter die Bilder über Hiob. Man sah die Dualität zwischen Gott und Teufel, dargestellt durch expressive, großflächige Schwarz-Weiß-Kontraste, man sah, wie die Leiden Hiob krümmen und seinen Leib mit Beulen übersäen; oft sind es nur wenige Striche, die einem Bild seine Ausdruckskraft verleihen. Besonders bemerkenswert ist der Variationsreichtum bei den Händen: segnende Hände, heilende, betende, gierige Klauen, Gesten des Triumphs, der Klage und des Flehens. In der Geschichte Hiobs dürfte der Künstler sich auch selbst wiedererkannt haben, denn als Künstler, der sich in der Nazizeit in Mögglingen im Schwarzwald versteckte, wäre er während der Kriegs- und ersten Nachkriegsjahre dem Hunger fast erlegen.
Beispiele für den Versuch direkter politischer Einflussnahme zeigen andere Werke in der Ausstellung. Arbeiten, die für die SPD unter Willy Brandt warben, die Ölkrise thematisierten oder die hochgerüstete Bundeswehr kritisierten. Anders als Kritik kann man es wohl nicht verstehen, wenn in bunten Pop-Art-Bildern düstere Panzer auftauchen.
Für einen kurzweiligen Einblick in die Schätze seines Hauses dankten die Schüler Wendelin Renn mit einem herzlichen Applaus.
Text: Alexander Ph. Goetz, Marc Hölle. Schüler in einer Informationstechnikklasse der Feintechnikschule.
März 2018