Titel Stanze

Digitales Lernen - Wie geht denn das?

Schülerexperiment E 13 mit computergestützter Messwerterfassung Jahrgangsstufe 1 (Klasse 12)
Entwicklung der Kosinus-Funktion im methodischen Netzwerk FHR-Kurs 1. Lehrjahr
Simulation Impulserhaltung im methodischen Netzwerk TG-Eingangsklasse (Klasse 11)
Bearbeitung Digitalvorlage „Stehende Wellen“ Jahrgangsstufe 2 (Klasse 13) im methodischen Netzwerk

Nun sind die Milliarden freigegeben und jedem Schüler in unserem Kreis stehen für einen Zeitraum von fünf Jahren ca. 433,- € für die Digitalisierung zur Verfügung.

Aber reicht es, nur moderne Rechner zu verwenden? Werden unsere Schüler in einem digitalen Lernprozess schlauer? Welche methodischen Inhalte müssen in einem digitalen Unterricht beachtet werden? Welche Anforderungen kommen auf den unterrichtenden Lehrer zu? Wie kann der Lehrer den Lernprozess mit 30 Rechnern überwachen, steuern und Impulse zielgerecht einsetzen?

In der Feintechnikschule, speziell am Technischen Gymnasium, werden bereits seit 2011 Laptops im Physik- und teilweise auch im Mathematikunterricht verwendet. Das geschah zunächst in Gruppen im Fach Laborphysik (physikalisches Praktikum) und wurde schließlich auf die gesamte Klasse mit bis zu 30 Schülern ausgedehnt. Viele Eltern und zukünftige Schüler konnten an den Informationstagen im Oktober und Februar eines jeden Jahres bereits Eindrücke gewinnen, wie das funktioniert, und sie waren oft begeistert. Doch was unterscheidet nun digitales Lernen vom „normalen“ Unterricht?

 

Anforderungen an den Lehrer

Digitale Unterrichtsvorlagen müssen anders aussehen als eine handschriftliche Vorbereitung eines Lehrers. Vorteilhaft ist es, notwendige, aber zeitaufwändige grafische Inhalte, Skizzen, Tabellen, Zahlenkonstanten usw. den Schülern schon fertig zu überreichen. Dabei wird zwischen einer Lehrer- und einer Schülervorlage unterschieden. In die Lehrervorlage werden bereits durch sog. Hyperlinks Verknüpfungen zu Simulationen, Videos, erklärenden Webseiten, digitalen Lehrbüchern und vielen weiteren Möglichkeiten integriert, die dann per Mausklick abgerufen werden können. Der Unterricht gestaltet sich dadurch sehr abwechslungsreich und interessant. In den Klassenstufen 11-13 des Technischen Gymnasiums stehen in den Fächern Physik und Mathematik bis jetzt bereits 120 ausgearbeitete Themen zur Verfügung.

 

Anforderungen an den Schüler

Noch vor fünf Jahren konnten sich nur etwa 50 % der Schüler vorstellen, alles in allen Fächern digital mitzuschreiben. Die Anforderungen an sog. Schlüsselqualifikationen wie Textgestaltung, Grafikgestaltung, Word, Excel, Verwendung eines Formeleditors in Mathematik, um nur einige zu nennen, sind gewaltig.

Hier ist ein langer Lernprozess notwendig, wenn alle Schüler zeitgleich den Unterrichtsstoff mitprotokollieren müssen. Eine Unterstützung gibt dabei die oben erwähnte Schülervorlage. Inzwischen gelingt es vielen Schülern aber immer besser, die Anforderungen zu erfüllen.

 

Anforderungen an die Technik

Der Lehrer steht vor der Aufgabe, die Fähigkeit besitzen zu müssen, alle digitalen Medien in kürzester Zeit seinen Schülern zur Verfügung stellen zu können. Dazu gehören u.a. Internet, digitale Lehrbücher, Simulationen, Arbeitsblätter, Videos und vieles mehr. Im Physikraum der Feintechnikschule wird dazu eine programmierbare Gamer-Tastatur verwendet, die es erlaubt, per Knopfdruck auf 54 gespeicherte digitale Inhalte zuzugreifen. Diese können an die Beamerwand, auf einen zweiten Großbildmonitor sowie auf das methodische Computernetzwerk mit 30 Schülerrechnern projiziert werden. So ist es zum Beispiel möglich, die Antwort auf eine beliebige Schülerfrage, etwa nach einem Quantencomputer, innerhalb von 60 Sekunden auf die Projektionsflächen und die Schülerrechner zu schicken und dann darüber zu sprechen. Diese reale Möglichkeit spiegelt den großen Vorteil des digitalen Unterrichtes wider. Das Wissen der Welt bei Bedarf zielgerichtet, gesteuert und methodisch durchdacht zeitgleich den Schülern zur Verfügung zu stellen, wird den Unterricht der Zukunft auszeichnen.

 

Anforderungen an Steuerung und Überwachung im digitalen Unterricht

Es gibt mehrere Softwareanbieter, die ein methodisches Netzwerk (oder auch Classroom-Management genannt) anbieten. An der Feintechnikschule wird seit 2016 die Software VisionPro der Firma NETOP verwendet. Sie ist nur für die Steuerung von Windows-Computern geeignet. Für die Verwendung von iPads gibt es von der gleichen Firma Alternativen. Die Möglichkeiten des Einsatzes sind gigantisch! Es seien hier nur die Hauptfunktionen Internetsperre, Rechnersperre, gleichzeitiger Datentransfer auf alle Rechner, Übersicht des Lehrers über alle Rechner, Projektion des Lehrerrechners auf die Schülerrechner, Präsentation eines Schülers auf die Rechner der Klasse sowie Remotezugriff genannt. Der Einsatz des methodischen Netzwerkes steht natürlich im direkten Zusammenhang mit den vorbereiteten Schülervorlagen.

Von großem Vorteil dabei ist, dass in Physik und in Laborphysik für Experimente oft computergestützte Messwerterfassungssysteme verwendet werden. Deren digitale Messwerte, Diagramme, mathematische Auswertungen wie Gaußkurven oder Tangenten können auf alle Rechner des Klassennetzwerkes übertragen werden. Eine Auswertungssoftware, genannt CassyLab 2, befindet sich dann auch auf den Schülerrechnern, so dass die Schüler in der Lage sind, das vom Lehrer ausgeführte Experiment individuell zu bearbeiten, auszuwerten und auf dem USB-Stick abzuspeichern. Der Leser wird feststellen, dass die Einführung des digitalen Lernens ein sehr komplexes Werk ist. Eine Schule, die sich die digitale Herausforderung auf die Fahnen geschrieben hat, sollte genau überlegen, welche Ziele sie ansteuern will.

 

Technische Anforderungen an den Lehrer

Hat ein Schüler seinen Stift vergessen, kann er sich einen bei seinem Nachbarn borgen. Bei 30 Rechnern im Dauereinsatz kann es passieren, dass ein Rechner plötzlich seine Funktion einstellt. In diesem Fall scheint der Schüler zunächst aufgeschmissen zu sein. Auch Peripheriegeräte wie Mäuse, USB-Sticks usw. können plötzlich streiken. Der Lehrer steht vor der Herausforderung, den gesamten digitalen Prozess zu verstehen, zu beherrschen und digitale oder analoge Ausweichsysteme für den Notfall bereitzuhalten, um das Stundenziel zu erreichen. Analog hilft dann wieder ein Blatt Papier mit den gleichen Inhalten wie die Digitalvorlage oder eine alternative Speicherplattform wie eine Cloud oder ein Ablegelaufwerk im Schulnetzwerk. Beide sind in der FTS eingerichtet.

 

Ein Ausblick in die Zukunft

Eine Antwort auf die Frage, ob digitales Lernen schlauer macht, ist statistisch nicht so einfach zu beantworten. Entscheidend ist dabei, wofür Rechner verwenden werden sollen und was am Ende als abrufbares Wissen den Schülern zur Verfügung stehen soll. Der analoge Teil des digitalen Lernens ist nach wie vor das Ausdrucken und Abheften der Stundenthemen für weitere Wiederholungen. Die Fähigkeit, alles auf einem Rechner zu verwalten, Ordnerstrukturen zielgerichtet anzulegen, den Überblick zu behalten und auch für Arbeiten wiederholen zu können, entwickelt sich bei unseren Schülern unterschiedlich. In einem sind sich aber alle einig: Digitales Lernen macht viel Spaß! Die Erfahrung zeigt auch, dass die Arbeit am Anfang für Lehrer und Schüler anstrengend ist, im Laufe der Zeit aber mit wachsender Medienkompetenz leichter wird und sogar in Richtung (wissenschaftliche…) Unterhaltung geht.

Im Gegensatz zu einem Tafelanschrieb mit Kreide, der nach dem Abwischen verloren ist, bleiben digitale Unterrichtsinhalte erhalten. Auch bei späteren Themen kann man auf Stundeninhalte der Vergangenheit sofort zurückgreifen. Bei entsprechender technischer Ausrüstung ist es sogar möglich, über das Netzwerk mehrere Klassen mit gleichen Unterrichtsthemen synchron zu unterrichten. Auch hat sich herausgestellt, dass Schüler im Netzwerk sehr konzentriert arbeiten müssen und gar keine Zeit haben, sich alternativ zu beschäftigen. Selbst synchron unterrichtete Klassen (im Ausnahmefall wegen Lehrerausfall), die alleine arbeiteten, nur die Lehrerstimme im Lautsprecher hörten und den Unterrichtsstoff durch die Lehrerrechnerprojektion verarbeiteten, waren äußerst diszipliniert.

Digitale Bildungsinhalte in einen analogen Lernprozess umzuwandeln bleibt nach wie vor in der Verantwortung des Lehrers. Die Medien bieten aber eine Fülle von Möglichkeiten, um den Unterricht interessant und abwechslungsreich zu gestalten.

Als Fazit kann gesagt werden, dass ANALOG oder DIGITAL nicht im Widerspruch stehen müssen. Sie sollten sich harmonisch und zum Wohle eines jeden Schülers gegenseitig ergänzen.

Peter Jung
Diplomfachlehrer Physik/Mathematik
Feintechnikschule mit Technischem Gymnasium


März 2018